Die Geschichte mit dem Schulkreuz
Ein interessantes Stück Schulgeschichte Kurtscheids
Im kleinen Gesellschaftsraum in unserer Wiedhöhenhalle hängt ein altes Schulkreuz, dass eine besonde-re Geschichte hinter sich hat. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Kurtscheider Schulen und der Politik wollen wir den Weg des Kreuzes nachzeichnen.
In der Ideologie der Nationalsozialisten waren auch die Religionen störend und nicht erwünscht. Obwohl im Reichskonkordat vom 20.07.1933 mit dem Vatikan Abmachungen zur Sicherstellung der Religionsausübung getroffen wurden, wurde im Jahre 1939 von den Nazis der Religionsunterricht in den Schulen verboten und angeordnet, dass die Kreuze als christliche Symbole aus den Klassenzimmern zu entfernen sind.
Am 18. April 1939 wurde von Mitgliedern der NSDAP auch in der Kurtscheider Schule im Unterdorf (Neue Straße 2) das Kruzifix von der Wand genommen und aus der Schule entfernt, sehr zum Schrecken der Kinder und zur Empörung der Eltern.
Am 26. April 1939 waren es etwa 30 beherzte Kurtscheider Männer, die in ihrer Empörung und einer spontanen wie auch riskanten Aktion das eine Woche zuvor abgehängte Schulkreuz gemeinsam in die Schule zurück brachten. In einem fast feierlich zelebrierten Zug, ähnlich einer Prozession, zogen sie mit dem Kreuz die Dorfstraße herunter und hängten es wieder an den gleichen Nagel an die Wand des Klassenzimmers.
Den Nationalsozialisten war dies jedoch ein Dorn im Auge und so wurden die Männer, die an der Aktion teilgenommen hatten, von der geheimen Staatspolizei (Gestapo) unterstützt durch die Gendarmerie am 29.04.1939 abgeholt und zur Vernehmung in den Schulkeller gebracht.
Es sollte bei den Verhören vor allem wohl die Urheberschaft seitens des damaligen
Pastors Alfons Hoffmann bewiesen werden. Doch dies gelang nicht. Ein Teil der Männer wurden nach den
harten Verhören wieder freigelassen.
Den durch die Gestapo als „Hauptschuldige“ ausgemachten Eduard
Wittlich, Josef Schäfer und Heinrich Stüber wurde am Landgericht Koblenz kurzerhand der Prozess gemacht
und sie wurden zu 10 Tagen Gefängnisstrafe verurteilt, die sie im Gefängnis in Neuwied absitzen mussten.
Danach wurden sie wieder frei gelassen.
Der Intervention der gemäßigten Waldbreitbacher Parteioberen war es zu verdanken, dass es keine schlimmeren Folgen hatte. Schlimme Drohungen hatte es genug gegeben.
Das Kreuz wurde von den Nationalsozialisten erneut aus der Schule entfernt und dann vom damaligen Ortsvorsteher Lorenz Becker (de ahl Chef) in Obhut genommen. Danach „zierten“ die Bilder von Adolf Hitler und weiterer NS-Größen die Wände der Schu- le. In den Schulen setzen die Nazis bewusst ihre Ideologie ein und so mussten die Kinder entspre- chende Lieder und Texte lernen.
Nach dem Krieg kam das Kreuz dann wieder in das Klassenzimmer. Die Schule im Unterdorf war durch Kriegseinwirkungen so stark beschädigt, dass sie für den Schulunterricht nicht mehr genutzt werden konnte. Unterrichtet wurde ab Oktober 1945 in der Pension Ilsenstein (Neumann) in einem improvisierten Klassenzimmer. Das waren natürlich sehr beengte Verhältnisse.
Im Dezember 1946 zog die Volksschule (wie sie jetzt hieß) um zur Pension „Haus Wilhelmsruh“.
Dort im ehemaligen Speiseraum für die Kurgäste wurde der Unterricht abgehalten. Das Haus musste im Jahr 2012 abgerissen werden, da es Jahr- zehnte dem Verfall preisgegeben war und von einem schönen und Ortsbild prägenden Gebäude war eine Ruine übrig geblieben. Damit der „Schandfleck“ ent- fernt werden konnte, hatte die Ortsgemeinde das Haus nach schwierigen Verhandlungen gekauft. An dieser Stelle ist heute der schöne „Dorfplatz am Denkmal“ entstanden.
Ab November 1949, genau 50 Jahre nach seiner einstigen Eröffnung, war das Schulhaus im Unterdorf (jetzt Fam. Dau) soweit hergerichtet, dass der Unterricht dort unter besseren Bedingungen fortgeführt werden konnte. Und so kam das Schulkruzifix, dass im April 1939 abgehängt worden war, nach gut 10 Jahren wieder erneut an die gleiche Stelle. In dieser Schule (ein Klassenraum) wurde nun im Schichtbetrieb 13 Jahre lang unterrichtet.
Durch erheblich steigende Schülerzahlen wurde ein Schulneubau unumgänglich und so entschied sich der Gemeinderat für den Neubau einer Schule auf dem gemeindeeigenen Grundstück im „Weidenbruch“ (heute Schulstraße 5), der vom Land Rheinland-Pfalz gefördert wurde. Am 8. Januar 1963 war die Einweihungsfeier der neuen Schule mit zwei Klassenräumen. Der Schichtunterricht gehörte nun endgültig der Vergangenheit an und somit wanderte das Schulkreuz von der Schule im Unterdorf in die neue Schule im Weidenbruch.
Da in Rheinland-Pfalz eine neue Schulform eingeführt wurde, besuchten alle Schüler
der Oberstufe nach den Osterferien 1969 die inzwischen fertig gestellte Hauptschule in Waldbreitbach.
Die Kurtscheider Schule wurde jetzt zur Grundschule für die Kinder des 1. bis 4. Schuljahres. In dieser
neuen Schule wurde jedoch nur 10 Jahre unterrichtet. Trotz Gegenwehr der Eltern und einer positiven
Abstimmung für den Erhalt der Grundschule wurde sie vom Land Rheinland-Pfalz mit Wirkung vom 1. August
1973 aufgelöst.
In den folgenden Jahren wurde nun häufig im Gemeinderat über die endgültige
Verwendung der Schule diskutiert.
Der Bedarf für ein Dorfgemeinschaftshaus bzw. eine Mehrzweckhalle ergab sich auch aus der Situation, dass der Saal im Haus Westerwald nicht mehr genutzt werden konnte. Ein Raum/Halle für sportliche und gesellschaftliche Zwecke war unbestritten erforderlich, da der Ort auch inzwischen rund 1000 Einwohner zählte. So fasste der Gemeinderat 1975 den klugen Beschluss, die Schule in den Bau einer Mehrzeckhalle zu integrieren.
Die neu erstelle Halle und die ehemaligen Schulräume wurden dann erstmals 1977 an Karneval genutzt. Seit dem 15. Mai 1985 trägt sie den Namen „Wiedhöhenhalle“.
Der weite Weg des Schulkreuzes war nun zu Ende und so hängt es nach dem Durchleben einer wechselhaften Schulgeschichte schon seit vielen Jahren im kleinen Besprechungsraum in der Wiedhöhenhalle.
Quellen
Chronik der Pfarrgemeinde Kurtscheid,
Pfarrer i. R. Johann Boden 1949,
Die Schule im Dorf,
Norbert Menzenbach 2004



